Inspiriert von den großen Vorbildern wie Amazon bekennen sich Unternehmen aus Deutschland immer häufiger zum Wunsch, auch selbst zur Kundenplattform zu werden. Die Otto-Gruppe öffnet sich für andere Anbieter, Douglas will sich durch Zusatzangebote in eine Beauty-Plattform verwandeln und Zalando definiert sich selbst als Betriebssystem für die Modewelt. Der Gedanke hinter der Plattform-Ökonomie ist ebenso einfach wie bestechend: Dem Kunden wird für jede Lebenssituation ein passendes Angebot unterbreitet. Statt nur einmal ein Produkt oder eine Dienstleistung an ihn zu verkaufen, wird er an die Plattform des jeweiligen Anbieters gebunden. Profit erwirtschaften die Betreiber dann durch Provisionen, Zusatzangebote oder schlicht die Daten und das Wissen über den Kunden, die sich im Laufe der Zeit gewinnen lassen. Das Ziel ist leicht formuliert, aber schwer zu erreichen. Denn die deutschen Player hinken mit ihren Bemühungen der Entwicklung hinterher und die Versicherungswirtschaft ist im Rennen weit abgeschlagen.
Warum die Allianz eine Banking-App plant
In der traditionellen Geschäftsbeziehung zwischen Versicherung und Kunden ging es beschaulich zu. Nach dem Abschluss der Police wanderte diese in den Bestand und der Kunde entrichtete seine Beiträge. Einmal im Jahr oder kurz vor Ablauf des Vertrages erhielt er im Rahmen der Bestandspflege einen Anruf seines Betreuers, um neue Policen abzuschließen. Sofern keine Leistung abgerufen wurde, dürften die meisten Kunden nur bei der Durchsicht ihrer Kontoauszüge an ihren Versicherer gedacht haben. Diese „Funkstille“ ist im Kern dafür verantwortlich, dass sich die Kunden nicht mit dem Anbieter identifizieren. Abgeschlossen wird beim günstigsten Versicherer, das Internet mit der Transparenz der Vergleichsportale hat diese Entwicklung verstärkt.
Anders der Plattformgedanke eines E-Commerce-Riesen wie Amazon: Das Instrument der Wahl lautet dort „Prime“, das hinlänglich bekannte Kundenbindungsprogramm, das den Zugriff zu geringeren Versandkosten, einem Streamingdienst, Online-Speicherplatz und sogar Lebensmittellieferungen bietet. Einmal in ein solches Netz eingesponnen, wird der Kunde genau überlegen, ob er zu einem anderen Marktplatz oder Anbieter wechselt.
Von diesem Gedanken lässt sich auch die Allianz leiten. Das Unternehmen sorgte Ende Januar mit seiner Ankündigung für Aufsehen, eine multibankenfähige App entwickeln zu wollen. Noch sind zwar keine Details über deren konkrete Funktionen bekannt, der Schritt ist vor dem Hintergrund einer Plattformökonomie aber berechtigt und konsequent. Schließlich geht es beim Banking auch um Geld. Eine App, mit der man nicht nur seine Banktransaktionen ausführen kann, sondern zusätzlich eine Rundumsicht auf seine Finanzen inklusive Versicherungen und Anlagen erhält, ist für den Kunden nützlich. Dem Versicherer bietet sie hingegen nicht nur die Möglichkeit, sich als Partner in Gelddingen zu positionieren, sondern vielleicht auch einen Ansatzpunkt, um weitere und ergänzende Produkte an den Kunden zu bringen.
Und wie Allianz verraten hat, geht es nicht nur um Bestandskunden. Die App wird allen Nutzern angeboten, also auch Personen, die erst noch zu Kunden der Allianz werden sollen.
Schnittstellen, Datenfluss und KI als Zutaten zur Plattform
Technisch möglich wird das Angebot einer eigenen Banking-App nur dadurch, dass die Kreditwirtschaft durch die Einführung der PSD2 die Hoheit über die Kontodaten verloren hat – und damit einen klaren Wettbewerbsvorteil, den die Banken viel zu lange zu wenig genutzt haben. Über standardisierte Formate müssen Kreditinstitute nach Einverständnis des Kunden Konteninformationen auch Dritten zur Verfügung stellen.
Will ein Versicherer wie die Allianz auf der anderen Seite eine umfassende Finanzanalyse ermöglichen, müssen die eingehenden Daten mit Bestandsdaten des Kunden verbunden werden. Das erfordert passende Schnittstellen und einen ungehemmten Datenfluss. Eine Problematik, die längst nicht in allen Rechenzentren der Versicherungswirtschaft vollumfänglich gelöst ist.
Der Launch einer App und somit die Ergänzung des eigenen Angebots kann nur ein erster Schritt in Richtung einer Plattform sein. Aber für welche weiteren Services, Tarife oder Produkte wären die Versicherten überhaupt empfänglich? Die Antworten könnten Analysen mit Unterstützung durch Künstliche Intelligenz liefern. Einmal implementiert und aufgesetzt beziehen sie alle Touchpoints mit Kunden und Interessenten ein und greifen beispielsweise auf Äußerungen in sozialen Medien zurück. Alles mit dem Ziel, sich ein klareres Bild über den Konsumenten und dessen Bedürfnisse zu verschaffen. Definierte Schnittstellen und KI bilden gemeinsam erst die Grundlage für neue Geschäftsmodelle und Serviceangebote, wie Telematik-Tarife.
Noch hat die Versicherungswirtschaft das Rennen zur Etablierung von Plattformen nicht verloren. Es ist aber an der Zeit, nicht nur an Konzepten zu arbeiten, sondern auch die nötigen IT-Grundlagen zu schaffen. Wie Sie das meistern, erklären wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch.