Quanten­­com­­pu­­ter könnten die Versicherungs­wirtschaft verändern


Seit den 90er Jahren arbeiten Wissenschaftler weltweit an der Entwicklung von Quantencomputern, deren Rechenleistung alles in den Schatten stellen wird, was bisher bekannt ist. Mitte Juni 2021 ging der erste deutsche Quantencomputer in Betrieb. Ein wichtiger Meilenstein in neue Dimensionen der IT – und damit auch in der Versicherungswirtschaft.

Die kurze Geschichte des Quantencomputings ist eng mit der Quantenphysik verwoben. Bereits in den 80er Jahren stellten Physiker fest, dass Simulationen, die sie auf klassischen Computern berechnet hatten, kläglich versagten. Daraus ergab sich die Erkenntnis, dass für eine korrekte Simulation der Quantenmechanik ein Computer notwendig wäre, der auf Basis der Quantenphysik arbeiten musste. Dies war die Geburtsstunde des theoretischen Quantencomputers.

Tschüss Bits, hallo Qubits
Die Prozessoren aller bisher eingesetzten Computer basieren im Kern auf zwei Schaltzuständen in ihren Transistoren: eine Ladung ist dabei vorhanden oder fehlt. Das Prinzip von 0 und 1, der Zustand, den jedes Bit einnimmt. Das wissen inzwischen auch Schulkinder. Quantencomputer arbeiten nicht auf der Basis solcher elektrischen Spannungen, sondern setzen auf quantenmechanische Zustände.

Und dieses Prinzip fordert unsere Vorstellungskraft bereits in den grundlegenden Theorien heraus. Denn ein Quantencomputer stellt Informationen zwar auch binär dar; eine Informationseinheit kann hier aber auch das Ergebnis der Überlagerung von Zuständen sein. Diese Besonderheit unterscheidet sie von den klassischen Bits, deswegen tragen sie auch im Quantencomputer den besonderen Namen Qubit.

Die sich daraus ergebenden Konsequenzen interessieren indes eher die Konstrukteure von Quantencomputern und Entwickler, die sich mit Algorithmen beschäftigen werden. In diesem Beitrag genügt die Erkenntnis, dass das quantenmechanische Prinzip der neuartigen Computer bestimmte Fragestellungen der Informatik effizienter und schneller lösen kann.

Schnellere Prognose bei größerer Detailtiefe
Für die Versicherungswirtschaft interessant ist hierbei, dass Quantencomputer genau die Rechenaufgaben schneller bewältigen können, die die Basis für die Lösung versicherungsmathematischer Probleme bilden. Das eröffnet zumindest in der Theorie ganz neue Möglichkeiten bei der Erstellung von Prognosen und Analysen.

Ein von den Wissenschaftlern gern zitiertes Beispiel, das die Wirkungsweise von Quantencomputer eindrucksvoll erklärt, widmet sich dem Alltagsphänomen des Verkehrsstaus. Trotz aller Prognosen lassen sich diese aktuell nicht vermeiden. Das liegt einerseits an der enormen Datenmenge, die zu berücksichtigen wäre – nämlich die Bewegungen aller Fahrzeuge – und zu vielen Variablen. Bekanntlich genügt ja bereits das Antippen der Bremse auf der Autobahn nur eines Teilnehmers, um potenziell zu einem Stau zu führen. Quantencomputer könnten solche Datenmengen bewältigen und anhand dieser Informationen so viele Simulationen durchrechnen, dass der Verkehr rechtzeitig umgeleitet würde.

Übertragen auf die Versicherungswirtschaft: Potenzielle Risiken könnten rechnerisch frühzeitig erkannt und damit Schäden vermieden werden. Die für die Entwicklung neuer Produkte und Services notwendigen Analysen ließen sich schneller und genauer berechnen, als es bisher möglich ist. Umfangreiche Simulationen für das Geschehen an den Finanzmärkten, würden eine realistische Einschätzung der zukünftigen Situation einer Gesellschaft bieten.

Soweit zumindest die Theorie, denn noch mangelt es an praktischen Beispielen. Und auch die Quantencomputer werden den üblichen „Hype-Zyklus” anderer Innovationen durchlaufen. Es besteht also die Gefahr, dass die kurzfristigen Wirkungen der Technologie überschätzt werden.

Quantencomputing wirft auch Fragen auf
Wie bei vielen technischen Entwicklungen gibt es auch beim Quantencomputing erste kritische und warnende Stimmen. Denn die enorme Rechenleistung führt im Kern auch dazu, dass bisher kaum zu überwindende Schutz- und Verschlüsselungsmaßnahmen geknackt werden könnten. Selbst Technologien wie die Blockchain werden damit nicht mehr unüberwindbar sein, worauf jüngst der BdB hingewiesen hat. Deswegen sollten sich Kreditinstitute rechtzeitig darum kümmern, „quantenresilient” zu werden. Eine Maßgabe, die auch für die Versicherungswirtschaft gilt.

Quantencomputer sind keine Science-Fiction mehr, dennoch steckt die Entwicklung noch in einer Frühphase. Für die Versicherungswirtschaft verspricht die neue Technologie viele nützliche Einsatzmöglichkeiten, wenn sich die Theorien und die Erwartungen denn erfüllen. Auf jeden Fall lohnt es sich, das Thema weiter aktiv zu beobachten, um den Einstieg nicht zu verpassen.

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