Die Versicherungsbranche im Krankenversicherungssektor unterliegt einem starken Wandel. Die alte HOST-Anwendung wird mit der Zeit teurer – steigende Wartungskosten ergeben sich vor allem aus veralteten Servern und schwer zu findenden Cobol-Entwicklern. Viele Krankenversicherer entscheiden sich daher dafür, eine neue Generation von Software im Unternehmen einzuführen, die die alten Systeme ablösen soll. Hinzu kommen weitere Themen, die in der Branche bekannt sind und in diesem Zug ebenfalls angegangen werden sollen. Sei es weiterführende Digitalisierung, die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse bei user experience (ux) und user interface (ui) an Oberflächen, ein hoher Grad an Dunkelverarbeitung oder auch die Ausgliederung und Verarbeitung ganzer Prozessketten im full-service-Modell.
Projektvorgehen bei der Ablösung von Altsystemen
Meist wird im ersten Schritt der Ablösung eines Altsystems vor allem ein Augenmerk auf die von SachbearbeiterInnen viel genutzte Hauptsoftware, wie Bestandsführungssystem und Leistungsbearbeitungssystem, gelegt. Randprozesse – also Prozesse, die nicht direkt im Hauptsystem stattfinden – werden meist erst zu einem späteren Zeitpunkt angegangen. Die Folge ist, dass der bisherige alte (Teil-)Prozess größtenteils unverändert bestehen bleibt.
Auswirkungen von Altprozessen
Oftmals müssen diese alten Randprozesse aber weiterhin mit Bestands- und Leistungssystem interagieren, um die gewünschten Funktionen oder Ergebnisse zu erbringen. Hierdurch ergibt sich folglich eine Mischung aus alten Randprozessen/Randsoftware in Verbindung mit einer nach neuen Maßstäben gebauten Software. Die Nebenwirkungen einer solchen Systemmischung sind Individuallösungen mit später hohem Wartungsaufwand, die zudem nicht dem Standard des neuen Systems, beispielsweise bei ux/ui entsprechen.
Vorteile einer einheitlichen IT-Landschaft
Ziel sollte es jedoch sein, eine einheitliche Arbeitsplattform für die Sachbearbeitende zu schaffen, um die Grundlage der Arbeitseffizienz zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass eine intuitive Sachbearbeitung in den Neusystemen meist besser ermöglicht wird. Vorteile hierbei sind eine zielgerichtete, schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeitender, die Reduzierung späterer Kosten in der Wartung und die marktübliche Abbildung von Randabläufen. Auf mittelfristige Sicht können so Kostentreiber vermieden und die Akzeptanz der Randsysteme bei Sachbearbeitern gesteigert werden.
Der Übertragungswerte-Prozess als Beispiel für einen Randprozess
Als Beispiel für einen Randprozess kann man den Prozess der Bearbeitung der Übertragungswerte anführen. Übertragungswerte sammelt jede versicherte Person im Versicherungszeitraum eines substitutiven Tarifs an. Diese Übertragungswerte bestehen aus gebildeten Altersrückstellungen und werden meist im Bestandsführungssystem berechnet und in der Datei der versicherten Person hinterlegt. Wechselt eine versicherte Person mit diesem substitutiven Tarif das Versicherungsunternehmen (VU), werden die hinterlegten Übertragungswerte vom bisherigen Versicherer (VUalt) an den neuen Versicherer (VUneu) übertragen. Hierbei werden die ausgehenden Übertragungswerte an eine Schnittstelle des Bestandsführungssystems geschrieben. Der weitere Prozess geschieht außerhalb des Hauptsystems (=Randprozess).
Der PKV-Konnektor im maschinell unterstützten Wechselgeschehen (MUW)
Im Vorfeld einer Übermittlung der Übertragungswerte können über Meldetypen die Ordnungsbegriffe abgeglichen werden, damit sichergestellt wird, dass das neue Versicherungsunternehmen die Übertragungswerte zum gewünschten Versicherungsvertrag und der richtigen Person anrechnet. Dies geschieht über den vom PKV-Verband bereitgestellten PKV-Konnektor. Diese Plattform sieht einen standardisierten Prozessablauf vor: Auf eine Ordnungsbegriffanfrage (OBA) folgt eine Antwort auf die Ordnungsbegriffanfrage (AOBA), worauf die Meldung zur Übertragungswerteanrechnung (UeWA) folgt. Hierbei können eingehende Meldetypen im PKV-Konnektor gesichtet und ausgehende Meldetypen direkt im PKV-Konnektor erstellt werden. Zudem bedient der PKV-Konnektor das PKV-Verzeichnis, eine standardisierte Verzeichnisstruktur, die als Dateischnittstelle bei jedem Versicherungsunternehmen hinterlegt ist. Hier werden die zugehenden oder abgehenden Meldetypen zur weiteren Verarbeitung als xml-Dateien gesammelt. Ausgehende Meldetypen werden von diesem PKV-Verzeichnis an den PKV-Konnektor weitergeleitet, während eingehende Meldetypen in die interne Verarbeitung fließen.
MUW - Prozess
Die Umsetzung beim Versicherungsunternehmen und Vorteile des MUW-Gateways
Das Versicherungsunternehmen hat nun die Wahl, den Prozess manuell, z.B. via PKV-Konnektor, abzuwickeln oder mithilfe des PKV-Verzeichnisses einen (teil-)automatisierten Prozess anzustreben. Im Hinblick auf die Problemstellung sind ein hoher Automatisierungsgrad sowie konsistente Oberflächen wünschenswert. Das kann mit dem adesso Modul „MUW-Gateway“ erreicht werden. Das Gateway übernimmt bei einer eingehenden OBA den Abgleich der Ordnungsbegriffe im Partnersystem sowie im Bestandführungssystem und erstellt eine resultierende ausgehende AOBA mit entsprechendem Status. Die folgende eingehende UeWA kann automatisch zu einer versicherten Person eines Vertrages angerechnet werden. Im Falle der Beendigung eines übertragungswertfähigen Tarifs wird die vorgesehene Schnittstelle beliefert und das MUW-Gateway erstellt einen ausgehenden Übertragungswertevorgang mit Meldetyp „ausgehende OBA“. Im Falle einer eingehenden AOBA mit Status „Ok“ oder „Korrektur“ wird eine ausgehende UeWA erstellt. Beim Versand dieses Meldetyps kann zudem ein Einbehalt aufgrund Beitragsrückstand berücksichtigt werden. Die Schnittstellen Exkasso – zur Auszahlung der Übertragungswerte an das neue Versicherungsunternehmen und den Druck sowie zur Mitteilung an den VN über die Bestätigung der übermittelten Übertragungswerte – werden beliefert. Eine Aussteuerung des Prozesses an eine Workflow-Schnittstelle ist bei unerwarteten Meldetypen oder nicht automatisch übereinstimmenden Ordnungsbegriffen vorgesehen. Der gesamte Prozess kann jederzeit auf der Oberfläche des MUW-Gateways nachvollzogen werden. Die Oberfläche ist abgestimmt auf die Oberfläche von in|sure Health Policy, von dessen Vertragsübersicht auch der Absprung zum Übertragungswertevorgang in das MUW-Gateway erfolgt.
Vorteile der Ablösung des MUW-Randprozesses
Die Vorteile des Einsatzes des MUW-Gateways sind ein hoher Grad an automatischer Verarbeitung, eine zielgerichtete Aussteuerung sowie die Abbildung des Übertragungswerteprozesses in einem speziell dafür vorgesehenen Tool, sodass die nicht unerheblichen Summen, die zwischen den Versicherungsunternehmen transferiert werden, übersichtlich abgearbeitet werden können.
Entscheidung zur Einführung von Randprozessen
Die Abwägung, Randprozesse im Einführungsprojekt zu berücksichtigen, steht in Abhängigkeit zum entstehenden Nutzen. Eine Ablösung von häufig auftretenden manuellen Prozessen kann zu einer hohen Akzeptanz des Hauptsystems bei den Sachbearbeitern führen. Sofern abgestimmte Standardsoftware zu den Randprozessen bereitsteht, ist der Implementierungsaufwand im Vergleich zum Nutzen meist überschaubar. So kann mit wenig Aufwand eine unter Umständen komplexe und undurchsichtige Abarbeitung abgelöst werden. Für uns als adesso ist daher wichtig, auch Randprozesse auf die Hauptsoftware abzustimmen und Lösungen für den PKV-Markt zur Verfügung zu stellen. Sprechen Sie uns gerne an!