Wie sehr sich seit der Jahrtausendwende die Welt verändert hat, erkennt man daran, dass man sich kaum mehr vorstellen kann, wie man vor 17 Jahren gelebt hat: ohne Google, Amazon, Facebook und Smartphones. Nahezu jeder nutzt täglich Suchmaschinen, Online-Handels- und Social-Media- Plattformen. Und nahezu jeder hat mit seinem Smartphone diese Dienste permanent verfügbar.
Mit diesen Diensten hat auch die Künstliche Intelligenz (KI) massiv Einzug in unseren Alltag gehalten. Wir haben uns längst an die hochkomplexe, ständig hinzulernende Algorithmik von Phrasensuche, -ergänzungen und kontextbezogener Vorschläge gewöhnt. Unsere Smartphones erkennen mühelos Personen auf Bildern und unser gesprochenes Wort. Texte werden uns wie von Geisterhand in beliebige Sprachen übersetzt. All diese Dienste sind alltagstauglich gewordene Produkte der KI, die uns Konsumenten zunächst in Erstaunen versetzen, aber mittlerweile immer mehr zur Normalität werden und sich in das Leben einbauen. KI ist daher sicherlich ein nachhaltiger Trend.
Aber wie nutzen die Versicherer die moderne KI, mit denen Apple, Amazon, Facebook und Google den Konsumentenmarkt revolutioniert haben?
Künstliche Intelligenz bei den Versicherern – ein aktueller Überblick
Eines vorweg: Versicherer nutzen Methoden der KI schon lange. Seit Jahrzehnten ermitteln OCR-Systeme Adressen, Barcodes, Versicherungsnummern und andere Attribute per OCR aus der Eingangspost. Expertensysteme unterstützen bei der Einordnung von Dokumenten, bei der Prüfung von Leistungsabrechnungen, und helfen bei Entscheidungen für Marketingaktionen. Allerdings sind die meisten dieser Systeme aktuell regelbasiert, d.h. sie gehorchen fest konfigurierten Regeln. Selbstlernende Systeme, die auf Trainingsdaten basierend Entscheidungen treffen, sind aktuell noch nicht sehr verbreitet. Warum ist das eigentlich so?
Sicherlich ist einer der Gründe, dass Versicherer der Transparenz von Entscheidungen in den Geschäftsprozessen einen großen Wert beimessen. Es bestehen also gewisse Vorbehalte vor einer Lernmaschine als „Blackbox“, deren Entscheidungen der Sachbearbeiter nicht nachvollziehen und Dritten gegenüber nicht vermitteln kann. Außerdem ist es oft schwierig und aufwändig qualitativ hochwertige und korrekt klassifizierte Daten bereitzustellen, mit der die Lernmaschine trainiert werden muss, um aus Beispielen verallgemeinern und künftig „gute“ Entscheidungen treffen zu können. Ein weiteres Problem liegt im fehlenden Knowhow geeignete Machine-Learning-basierte Verfahren auszuwählen und adäquat zu konfigurieren. Schließlich besteht die Notwendigkeit einer soliden Bewertung bzw. eines Vergleichs der Ergebnisse der Lernmaschine. Die hierfür notwendigen Kennzahlen sind oft nur in unzureichendem Maße vorhanden.
Diese Vorbehalte scheinen jedoch zu schmelzen. Viele Versicherer beschäftigen sich aktuell mit moderner Machine-Learning-gestützter KI, befeuert durch das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 und die immensen Entwicklungen der letzten Jahre in diesem Umfeld. Man spürt das Potenzial, welches sich hinter den neuen künstlichen Intelligenzen verbirgt. Erfolgsmeldungen in den Medien, wie der vollautomatisierte Kfz-Sachverständige [1], verbesserter Kundenservice mittels KI [2] oder wie Maschinen Versicherungsbetrug aufdecken [3] lassen aufhorchen. Man erkennt die Veränderung des Marktes und der Gesellschaft, die massive Innovationskraft, die vielen Forschungsgruppen, Startups, die sich mit selbstlernenden Systemen beschäftigen und eine Vielzahl neuer Ideen hervorbringen. Es wird erkannt, dass immer größere Mengen digitaler und semantisch annotierter Informationen verfügbar sind und intelligent genutzt werden können, um automatisiert und autonom Entscheidungen zu treffen. Ebenso wird deutlich, dass der Einsatz selbstlernender Systeme nicht notwendig eine „Blackbox“ darstellen muss. Sie können auch genutzt werden, um regelbasierte Systeme zu optimieren bzw. in Form von hybridartigen Verfahren zu unterstützen.