Das Bestandsmanagement wird von Vermittlern und Versicherern gerade im Segment Komposit als lästiges aber notwendiges Übel gesehen. Dabei kann durch den Einsatz moderner Technologie gerade hier der Kampf um die Kundentreue gewonnen werden.
Lebens- und Krankenversicherungen sind durch die hohe Abschlussprovision für Vermittler naturgemäß attraktiv. Die Klassiker wie Haftpflicht- oder Hausrat wurden in der Vergangenheit gern „mitgenommen“, machen sich finanziell wegen der geringen Margen und Bestandsprovisionen jedoch wenig bemerkbar. Genau dieses eher geringe Interesse spiegelte sich auch in den Gesellschaften selbst wider. Die Produktfeatures und Tarife ähneln sich im Markt und kein Versicherer sah im Bereich Komposit einen Schlüssel, um sich gegenüber dem Wettbewerb abzusetzen.
Kundenkontakt im Kompositbereich verlagert sich
Das änderte sich mit dem verstärkten Auftreten von reinen Online-Anbietern mit ihren Vergleichsportalen. Gerade die gute Vergleichbarkeit von Features und Tarifen gepaart mit dem Argument, den besten Tarif zu finden, ließ die Vergleicher stärker in das Bewusstsein der Konsumenten treten. Zumal sich die einfache Antragsstrecke und Policierung etwa in SUHK als geradezu ideal für digitale Prozesse erwiesen hat. So mag der eine oder andere Vermittler oder gar Produktmanager gar nicht unglücklich darüber gewesen sein, dass das vermeintlich unattraktive Geschäft jetzt andere machen.
Strategisch übersehen wurde dabei allerdings, dass die Kunden, nicht zuletzt durch die im klassischen Handel gemachten Erfahrungen („Amazonierung“), dazu erzogen wurden, sich selbst um das günstigste Angebot zu kümmern und eher einem Vergleichsportal Vertrauen zu schenken, als sich direkt an einen Versicherer zu wenden. Der Kontakt mit den Kunden wandert so vom Versicherer weg.
Das unliebsame Bestandsmanagement
Die Policen und Verträge der Versicherten aus dem Kompositbereich müssen natürlich verwaltet werden. Das Bestandsmanagement ist indes nur eine unterstützende Tätigkeit, denn die unmittelbare Wertschöpfung aus dem Kundenkontakt hat ja bereits beim Abschluss des Vertrags stattgefunden.Für einen Vermittler bedeutet das Management des Bestands dieser Kunden also in erster Linie Arbeit in einem Segment, das ohnehin nicht viel Umsatz gebracht hat.
Diese Sichtweise können sich Gesellschaften und Versicherer nur so lang leisten, wie das Neukundengeschäft floriert. Doch durch den Wandel des Konsumentenverhaltens in allen Bereichen und die verstärkte Nutzung von Vergleichsportalen hat sich die Dynamik in den Beständen erhöht.
In der Kompositversicherung fällt die Wechselbereitschaft der Kunden ohnehin höher aus als in anderen Versicherungszweigen. Denn die Verträge enthalten in der Regel keine langfristigen Bindungen.
Ein typisches Beispiel ist die Kfz-Versicherung. Alljährlich startet hier im Herbst eine regelrechte Wechselwelle, die sowohl von Versicherern als auch Vermittlern durch Werbemaßnahmen adressiert wird.
Kundenzugang ist die Währung im aktuellen Vertrieb
Der Einkauf über das Internet, Kommunikation per Messenger und das Smartphone, die Nutzung von Händler-Apps: Das Verhalten der Konsumenten hat sich drastisch geändert. Schon lange vorbei sind die Zeiten, in denen die Versicherten auf die Kontaktaufnahme durch einen Vermittler oder die Versicherungsgesellschaft gewartet haben. Konzerne wie Amazon beginnen bereits bei der Suche nach Produkten aller Art den klassischen Suchmaschinen im Internet den Rang abzulaufen. Ein günstigerer Preis, egal für welches Produkt, ist heute sprichwörtlich nur noch ein Fingertippen entfernt. Entsprechend hoch ist die Wechselbereitschaft der Kunden in Richtung anderer Produkte und Anbieter. Hier steht die Assekuranz nicht allein.
Damit stellt sich die Frage nach der Kundenbindung. Und ein Mittel zur Stärkung der Bindung ist der regelmäßige und intensive Kontakt zum Kunden, ein aktives Kundenmanagement: In der Sprache der Versicherungswirtschaft also ein aktives Bestandsmanagement.
Die Analyse des Bestandes, der regelmäßige Kontakt mit den Kunden bietet die Möglichkeit, Cross- und Upselling anzubieten.
Allerdings ist es auf den ersten Blick für die Versicherungswirtschaft schwierig, diesen regelmäßigen Kontakt zu initiieren. Es müssen Anlässe dazu gefunden werden, dabei aber zugleich die Compliance bei Datenschutz und Wettbewerbsrecht eingehalten werden. Hier kann der Kompositbestand eine wichtige Rolle spielen. Denn er liefert Daten und Informationen, die sich als unschätzbare Quelle für aktive Bearbeitung erweisen können.
Aktives Bestandsmanagement bedeutet aktive Datenanalysen
Die Kommunikation mit dem Kunden zu intensivieren, ihm mehr Kontaktpunkte anzubieten, kann heute technisch gelöst werden. Mit Chatbots und Messengern ist der Versicherer auf dem Gerät präsent, das im Alltag der Kunden eine immer größere Rolle spielt – dem Smartphone. Apps im Bereich Gesundheit, Fitness, Smarthome oder Kfz schaffen weitere Touchpoints. Dazu gehören auch Anwendungen, mit denen die Versicherten ihre Verträge verwalten oder sich an Kündigungsfristen erinnern lassen können.
Gleichzeitig liefert deren Nutzung Informationen. Über den Kunden, seine Gewohnheiten, seine Vorlieben – wertvolle Daten, die erhoben werden sollten.
Durch die Vervielfachung von Kontaktpunkten und Datenquellen entstehen enorme Datenmengen (Stichwort Big Data), die natürlich die Gesellschaften vor Herausforderungen stellen. Ganz konkret, wenn es um die Speicherkapazitäten und die Verarbeitung durch die IT geht.
Aber auch mittelbar, denn die Datenmengen bergen zwar das Potenzial, durch intelligente Analysesysteme mehr über das Verhalten und auch die kommenden Absichten der Kunden herauszufinden. Solche Big-Data-Analysen sind jedoch nicht trivial. Zusätzlich ist das Aufsetzen von Systemen für maschinelles Lernen mit intelligenten Algorithmen eine Kompetenz, die im Zweifel durch externe Ressourcen eingekauft werden muss.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass im Bereich des Bestandsmanagements in vielen Gesellschaften noch „IT-Altlasten“ in Betrieb sind. Systeme, die historisch gewachsen sind, deren Austausch aber zu teuer erschien, da mit ihnen ja keine direkte Wertschöpfung verbunden war. So werden Spezialisten gefragt sein, die moderne Welt von KI-Analysen und Big Data mit den alten Systemen zu verbinden.
Als Lohn der Mühe winkt ein smartes Bestandsmanagement. Smart, weil es zusätzlich durch die Daten aus smarten Apps, smarten Geräten und smarten Kontaktwegen gefüttert werden wird, smart aber auch, weil es sich nicht nur um eine Datenbank handelt, sondern um Daten und Analysen, die zu einer Verbesserung des Kundenkontakts und damit zu mehr Loyalität der Kunden führen kann. Und somit letztlich auch wieder zu mehr Geschäft.