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Innovation von Provisions­­modellen – warum ist das so schwer?

Geschrieben von Carsten Voigtländer | 01.09.2021

Jedes Versicherungsunternehmen berechnet Vergütungen für die Vermittlung und Betreuung von Versicherungsverträgen. Hierzu werden in den Provisionssystemen entsprechende Provisionsmodelle abgebildet, auf deren Basis die Berechnung und Auszahlung von Vergütungen an die Vermittler erfolgt.

Provisionsmodelle basieren heutzutage typischerweise auf den „Produktionsdaten“, das heißt auf den Neuabschlüssen von Versicherungsverträgen sowie auf der Bewirtschaftung des Vertragsbestandes. Hierbei werden für einen Versicherungsvertrag folgende Schritte zur Ermittlung eines Vergütungsanspruchs durchlaufen:

  • Bestimmung des Geschäftswertes (des provisionsrelevanten Ausgangsbetrages), z. B. der Beitragssumme des Vertrages
  • Ermittlung von direkt und indirekt Beteiligten – Abschlussvermittler bzw. Bestandsbetreuer und Beteiligte aus deren Einordnung in die Vertriebshierarchie
  • Berechnung des Vergütungsanspruchs jedes Beteiligten unter Berücksichtigung individueller Provisionskonditionen
  • Bestimmung der Haftungs- und Auszahlungskonditionen für jeden berechneten Vergütungsanspruch

Mit den aktuell im Markt vorzufindenden Provisionsmodellen werden somit Einmalprovisionen, Abschlussprovisionen sowie Betreuungs- oder Bestandsprovision bzw. Courtagen für Versicherungsvermittler gezahlt.

Vorgaben der Regulierung zur Vermittlervergütung

Sowohl 2002 mit der EU-Vermittlerrichtlinie IMD (Insurance Mediation Directive) als auch seit Februar 2018 mit der IDD (Insurance Distribution Directive) ist eine nationale Regulierung der Vermittlervergütungen insbesondere für die Sparten der Lebens- und Krankenversicherungen erfolgt.

So ist eine Begrenzung der Abschlussprovision für die Vermittlung von privaten Krankenversicherungen oder das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (LVRG) in diesem Zuge in der weiteren Ausgestaltung definiert.

Mit dem „Gesetz zur Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen“ (LVRG II, LV-Provisionsdeckel) erfolgt nun eine Begrenzung von Provisionen auf 25 Promille der Bruttobeitragssumme als Abschlussprovision bzw. 40 Promille bei Erfüllung bestimmter Qualitätskriterien. Mit diesem „Provisionsdeckel“ werden Versicherungsvermittler für diese Produktgruppen mit der Provisionsdeckelung Einnahmeverluste hinnehmen müssen.

Die Einführung einer gesetzlichen Grundlage für eine Umstellung auf Beratungs- und Vermittlungsvergütung auf Honorarbasis ist zwar mit der IDD seit 2018 durch den Wegfall des Honorarannahmeverbotes gegeben, jedoch konnte sich dies bislang nicht am Markt etablieren. Wesentliche Gründe hierfür sind

  • geringes Angebot von echten Nettopolicen durch Versicherungsunternehmen, auch weil. hierdurch die Vertriebskosten von gebundenem Vertrieb bzw. Maklervertrieb transparent werden
  • geringe Akzeptanz bei Versicherungskunden, für eine unabhängige Beratung zu zahlen
  • Aufwand des Vermittlers in der Umstellung des Vergütungsmodells sowie bestehende etwaige Haftungslücken für Beratung

Auch eine transparente Darstellung der zu erwartenden Vermittlungsvergütungen schon mit einem Angebot (Provisionsausweis) ist bislang gesetzlich nicht geregelt und somit keine Pflicht für Versicherungen und Versicherungsvermittler.

Jedoch sind die dargestellten, in den letzten Jahren verabschiedeten gesetzlichen Regelungen bereits hinreichender Anlass, die bestehenden Provisionsmodelle zu erweitern und damit für Compliance-Konformität zu sorgen. Vielfältig sind hierbei jedoch keine echten Anpassungen bzw. Umstellungen der Provisionsmodelle erfolgt, sondern werden Begrenzungen und Deckelungen dispositiv statistisch geprüft.

  • Wenn man den Regulierungsfaden weiter konsequent durchdenkt, wird die Zufriedenheit der Kunden, die transparente Ausweisung der enthaltenen Kostenanteile und die Deckelung der Vertriebskosten auch in Zukunft weitergehen. Damit wäre eigentlich der Ausgangspunkt für eine Neugestaltung des Provisionsmodells gegeben. Hierbei könnten folgende Aspekte als zentrale Faktoren umgesetzt werden:
     
    • Kundenerfolg und Kundenzufriedenheit als zentrales Steuerungsinstrument
    • Berücksichtigung aller am Erfolg Beteiligten, z. B. Beratungsexperten oder Schadensregulierer
    • Klare Berücksichtigung der regulatorischen Rahmenbedingungen bereits im Provisionsmodell
    • Aus Sicht des Versicherungsunternehmens kann eine Anreizgestaltung für definierte Produkte/Produktgruppen einhergehen

Warum tut sich der Versicherungsmarkt so schwer?

Die Neugestaltung des Provisionsmodells eines Versicherungsunternehmens als strategisches Instrument ist eine komplexe Thematik. Das Provisionsmodell selber gibt das Berechnungsmodell für die Vergütungskomponenten sowie für die Haftungszeiträume und-summen vor. Typisches Provisionsmodell ist die Differenzprovision als Deltas zwischen den Hierarchiestufen der Vertriebsorganisation.

Wesentlichen Einfluss auf das Provisionsmodell haben die sich im Laufe der Zeit durch Anpassung an die Vertriebsstrategie verändernde Vertriebsorgansisation und -hierarchie sowie die Provisionskonditionen, die durch die Vermittlerverträge determiniert werden.

Grundlage der Provisionsberechnung sind die Produktionsdaten aus der Bestandsführung der jeweiligen Sparte, wobei hier durch die Produktlebenszyklen prinzipiell darauf zu achten ist, dass eine statistische Veränderung der Vertrags-Geschäftsvorfälle (Neuvertrag, Erhöhung, Reduktion, Stornierung etc.) im Laufe der Zeit möglich ist.

Unter der Maßgabe, dass

  • die aktuariell kalkulierten Vertriebskosten und die darin enthaltenen Provisionen möglichst nicht verändert bzw. erhöht werden sollen,
  • dass gleiche Vermittlergruppen in ihrer Incentivierung möglichst unverändert vergütet werden, damit aus Sicht des Versicherungsunternehmens strategische Vermittler weiterhin positiv für das Unternehmen wirken, und
  • dass die regulatorischen Anforderungen vollständig unterstützt werden,

müsste eine komplexe Simulation der genannten verschiedenen Faktoren zur Gestaltung des Provisionsmodells unter Beachtung der zukünftigen Markt- und Produktentwicklung (aus der Produkt- und Vertriebsstrategie) stattfinden.

Eine solche Simulation erfolgt systemgestützt dispositiv auf der Basis von Produktionsdaten aus einer vergleichbaren bereits abgelaufenen Periode, wobei die strategisch zukünftig entwickelnden Parameter der Vertriebsorganisation, der Vermittlerstruktur, der Vertriebshierarchie sowie des Produktmodells mit unterschiedlichen Parametergrößen durchgerechnet und so eine „Annäherung“ an die bisherigen Provisionskosten je Vermittler/Vermittlergruppe und je Produkt erreicht werden kann.

Fazit und Aufforderung

Resultierend muss festgestellt werden, dass eine Neugestaltung des Provisionsmodells eine komplexe Herausforderung darstellt und aus Sicht des Versicherungsunternehmens mit strategischen Risiken verbunden ist.

Trotzdem sollten sich Versicherungsunternehmen unter den o. g. Aspekten der bisherigen und zukünftig weiterhin zu erwartenden Regulierung frühzeitig damit befassen und unter den Aspekten der technischen Erweiterung (u. a. In-Memory-Berechnung, Umgang mit großen Datenmengen) sowie der Lebenszeit des bisherigen Provisionssystems die strategischen Grundlagen für ein zukünftiges Modell der Vermittlervergütung entwickeln.

Wenn Sie dazu Fragen haben oder das Thema vertiefen möchten, wenden Sie sich gerne an unseren Experten Carsten Voigtländer.