Private Krankenversicherer (PKV) in Deutschland haben ein Problem: Eine betrügerische Minderheit ihrer Kunden und Kundinnen bereichert sich zu Lasten der übrigen Versicherungsnehmer. Die Betrugsschäden beliefen sich im Jahr 2020 auf etwa 2,1 Mrd. Euro. Dem gegenüber standen – laut Angaben des PKV-Verbands – Leistungsausgaben der Versicherer in Höhe von knapp 31 Mrd. Euro. Der Posten „Betrug“ macht demgemäss also fast 7 Prozent aller Ausgaben einer PKV aus.
Wie kann das sein?
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet nicht nur Versicherern und Patienten und Patientinnen neue Möglichkeiten, sondern auch potenziellen Betrügern und Betrügerinnen. Bis vor wenigen Jahren wurden Anträge und Rechnungen zu grossen Teilen postalisch eingereicht. Heute genügt zumeist ein Foto, das via App oder Kundenportal an die PKV geschickt wird. Aus Kunden- und Kundinnensicht wird dadurch der Prozess von der Einreichung eines Dokuments bis zur Erstattung deutlich schneller und komfortabler. Für die Versicherer geht damit jedoch ein Kontrollverlust einher, weil sie keinen physischen Zugriff mehr auf die Originaldokumente haben, sondern nur noch auf ein mehr oder weniger gut aufgelöstes Handyfoto.
Dokumente zu fälschen war noch nie so einfach wie heute
Mit Hilfe von Textverarbeitungsprogrammen ist es schon seit Jahren möglich, Rechnungen oder Rezepte in Anlehnung an einen Originalbeleg nachzubauen und bei der PKV zur „Kostenerstattung“ einzureichen. Ungleich schwerer war es aber für medizinische Laien und Lainnen, eine aus fachlicher Sicht plausible medizinische Abrechnung zu erstellen. Im Jahr 2022 kam für Betrüger und Betrügerinnen aber auch dafür ein neues nützliches Werkzeug hinzu: ChatGPT. Fragt man ChatGPT beispielsweise, welche Ziffern auf einer Arztrechnung zur Behandlung eines Glaukoms (Grüner Star) stehen, erhält man folgendes Ergebnis:
Die Ziffern auf einer Arztrechnung zur Behandlung eines Glaukoms können je nach Abrechnungssystem und Land variieren. Im deutschen Abrechnungssystem der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) könnten beispielsweise folgende Ziffern
relevant sein:
ChatGPT gibt zwar (zum Glück) noch keinen vollständigen Rechnungsvorschlag aus, es erleichtert die weitere Recherche aber massiv. Auf Basis des Punkts „Medikamentöse Therapie“ kann man so z.B. die Frage stellen, welche Medikamente zur Behandlung eines Glaukoms eingesetzt werden können. Auch auf diese Frage kennt ChatGPT eine valide Antwort samt umfangreicher Erläuterung:
Zur Behandlung eines Glaukoms werden verschiedene Medikamente eingesetzt. Die Wahl des Medikaments hängt von der Art des Glaukoms, dem Schweregrad und den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab. Hier sind einige häufig verschriebene Medikamentenklassen:
Und man kann davon ausgehen, dass KI-gestützte Chatbots mit jeder Iteration immer bessere Vorschläge erstellen.
Was können Versicherer also tun, um sich zu schützen?
Rechnungen inhaltlich neu zu erfinden ist zwar so leicht wie nie, Ärzte und Ärztinnen nutzen aber anders als (betrügerische) Laien und Lainnen keine Standard-Textverarbeitungsprogramme zur Erstellung von Belegen, sondern spezielle Praxissoftware. Rechnungen 1:1 strukturell nachzubauen und mit eigenen Inhalten anzureichern bleibt dadurch ein schwieriges Unterfangen. Handwerkliche Fehler bei der Dokumentenerstellung könnten also durch den Vergleich von historischen Abrechnungen des Arztes oder der Ärztin mit neu eingereichten Belegen identifiziert werden.
Genau hierfür bietet unser Partner ICO-LUX eine Lösung zur forensischen Untersuchung von Dokumenten an. ICO.Fraud gleicht die eingehenden Dokumente anhand von verschiedenen Betrugsmustern (z.B. Zeilenabstände, Schriftarten, Chronologie von Rechnungsnummern) mit bereits bekannten Belegen desselben Leistungserbringers ab. Das Ergebnis ist ein Fraud-Score, der von Leistungsabrechnungssystemen wie in|sure Health Claims im Rahmen der automatisierten Verarbeitung berücksichtigt werden kann. Besteht der Verdacht, dass ein Dokument manipuliert wurde, wird die automatisierte Auszahlung verhindert und der Vorgang an einen Betrugsspezialisten oder einer Betrugspezialistin weitergeleitet.
Dieser Fraud-Score kann aber auch positiv interpretiert werden: Sofern ICO.Fraud Dokumente zweifelsfrei als „echt“ erkennt, können diese verstärkt in einen rein maschinellen Verarbeitungsprozess überführt werden. Betrugserkennung bekommt durch diesen Ansatz eine zweite Dimension: Sie mildert den oben beschriebenen Kontrollverlust und steigert so das Vertrauen der Versicherer in diejenigen Teile ihrer Verarbeitungsprozesse, die ohne menschliche Kontrolle ablaufen.
Sie möchten mehr über unser Leistungsmanagementsystem in|sure Health Claims und Dokumentenforensik erfahren? Wenden Sie sich gerne direkt an unseren Experten Martin Lorenz, Senior Business Developer bei adesso insurance solutions.