Das Jahreswechselgeschäft 2023/2024 ist inzwischen bei den meisten Kfz-Versicherern in den Bestandsführungssystemen policiert. Traditionell ist jetzt für die Fachbereiche und Produktmanager der Häuser Zeit, kurz durchzuatmen, standen doch in den letzten Jahren ungewohnt grosse Herausforderungen an. Aber auch in Zukunft wird die Lage nicht gerade langweilig werden. Werfen wir im Folgenden einen Blick auf die wichtigsten Entwicklungen und anstehenden Aufgaben aus Sicht der Kfz-Versicherung.
Der grösste Ergebnisabsturz seit mehr als 20 Jahren
Während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 verbuchten die Autoversicherer in Deutschland Rekordgewinne von mehreren Milliarden Euro. Dies lag vor allem an den gesunkenen Schadenaufwendungen, da viele Fahrzeuge in dieser Zeit deutlich weniger genutzt wurden. Und wer nicht fährt, hat i. d. R. keinen Schaden. Doch die „Champagnerlaune“ der Versicherer verflog in den Folgejahren schnell. Schadenaufwendungen, die aufgrund der krisenbedingten Inflation und den damit gestiegenen Kosten für Ersatzteile und Stundensätze sowie spürbar höhere Schadenkosten bei der zunehmenden Anzahl von Elektrofahrzeugen führten zu massiven Verlusten, welche die Gewinne der Pandemie-Jahre pulverisierten. Im Jahr 2023 wurde die Ergebnislage noch mal dramatisch verschärft, sodass sich diese mit dem letzten Jahreswechsel nun auch deutlich spürbar in den Geldbörsen der Kunden bemerkbar machte.
Der Rückversicherer GenRe ermittelte zuletzt für die Neugeschäftstarife zum 01.01.2024 eine durchschnittliche Beitragsanpassung von +12,7 %. Stritten sich in der Vergangenheit die Fachbereiche, Aktuariate und der Vertrieb in den Versicherungshäusern noch um jede Nachkommastelle bei den jährlichen Anpassungssätzen, „rauschte“ die Prozentzahl zuletzt in den deutlich zweistelligen positiven Bereich. Während die beiden grössten Marktteilnehmer HUK Coburg und Allianz bislang um die grössten Zugewinne wetteiferten, verlor die HUK im letzten Jahreswechsel erstmals mehr als 100.000 Kunden (Quelle HUK). Bis vor wenigen Jahren ein undenkbares Szenario.
Aus dem einen oder anderen Controlling-Bereich hört man inzwischen sogar wieder Stimmen, die der Kfz-Versicherung aufgrund der Ergebnissituation die Daseinsberechtigung absprechen wollen. Bei einer Combined Ratio (Schadenkostenquote) von 110 % bzw. einem Verlust i.H.v rund 2,9 Milliarden Euro (Quelle GDV) für 2023 nicht überraschend. Frei nach dem Motto: „Jedes Kfz-Risiko ist aus Ergebnissicht ein Risiko zu viel“. Ein Rückgang der Schadenaufwendungen ist aktuell nicht in Sicht. Daher bleiben zwei Optionen: Weitere Beitragsanpassungen und/ oder eine Reduzierung der Kostenlast. Das Letztgenanntes ebenfalls nicht leichtfertig angegangen werden sollte, zeigt eine weitere Entwicklung.
Plötzlich hakt auch der Service
Stiessen die zuletzt notwendigen Beitragsanpassungen nicht gerade auf viel Gegenliebe bei den Verbrauchern, zeigten sich inzwischen auch im Service- bzw. Schadensbereich überraschend grosse Probleme, sodass dies selbst die Aufsichtsbehörde Bafin auf den Plan rief. Viele Versicherer, darunter auch die HUK Coburg, ihres Zeichens Marktführer und bekannt als prozessuales Effizienzmonster für niedrigste Kostenquoten und hervorragenden Kundenservice, gerieten öffentlich in die Kritik. Kunden beschwerten sich zunehmend über endlose Warteschleifen und lange Bearbeitungszeiten. Die HUK selbst bestätigte die Kritikpunkte teilweise und verwies u.a. auf die angespannten Personalkapazitäten. „Es gibt grosse Leistungsunterschiede bei den einzelnen Orgaeinheiten“, so zitierte zuletzt die Süddeutsche Zeitung aus einer internen Veranstaltung der HUK.
Selten äusserten sich in der Vergangenheit Branchengrössen in dieser Deutlichkeit. Dabei stehen wir gerade erst am Anfang der Probleme durch den demografischen Wandel. Das Statistische Bundesamt erwartet von 2025 bis 2040 einen Rückgang des Anteils der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung um rund 5 %-Punkte auf nur noch knapp 60 %. Das diese Lücke nur mit einem sehr starken Ausbau der Automatisierung von Prozessen, z. B. durch künstliche Intelligenz, aufgefangen werden kann, ist allen Beteiligten bewusst. Ob aber auch die IT-Systeme der Versicherer dazu in der Lage sind, steht auf einem anderen Blatt. Hier werden in Zukunft sicher noch enorme Reorganisationen und Investitionen erforderlich sein. Doch sind diese Dinge nicht nur aus Prozesssicht essenziell, sondern wirken sich auch auf die Geschäftsmodelle und Produkte der Versicherer aus.
Daten sind der Schlüssel
Mit dem „EU Data Act“, der Ende 2023 in Brüssel verabschiedet wurde, erhoffen sich viele Kfz-Versicherer, endlich in Reichweite eines riesigen Schatzes zu kommen – den Daten ihren Kunden. Mit dem Gesetz wird klar geregelt, dass die Nutzer die alleinige Hoheit über ihre Daten haben und diese nach eigenen Wünschen weitergeben dürfen. Dies betrifft natürlich insbesondere auch Daten, die Fahrzeuge während der Fahrt sammeln und heute bereits an die Fahrzeughersteller weiterleiten. Wie diese Daten jetzt von den Herstellern an Dritte, z.B. Kfz-Versicherer, gelangen, ist noch ungeklärt und sicher noch eine grosse branchenweite Herausforderung. Doch der Aufwand lohnt sich.
Mit den Daten aus den Fahrzeugen haben die Versicherer die Möglichkeit, ihre Prozesse radikal an die Bedürfnisse ihrer Kunden anzupassen. Beispielsweise erkennen die Sensoren im Fahrzeug automatisch einen Unfall und dessen Schwere. Der Versicherer kann nun Ad-hoc den Schadenregulierungsprozess in Gang setzen und einen Abschleppwagen oder vielleicht sogar direkt einen Mietwagen beim Kunden vorbei schicken.
Auch bei der Tarifierung bieten die Daten aus dem Fahrzeug einen enormen Mehrwert. Ist die Beitragsermittlung für die Kfz-Versicherung in Deutschland bereits heute sehr gut ausdifferenziert, können die individuellen Fahrdaten eines einzelnen Fahrers die Risikodifferenzierung nochmals verbessern und mehrere Ebenen tiefer legen, vielleicht sogar ganz ersetzen. Damit wäre die klassische Tarifierung obsolet.
Automatisierung, künstliche Intelligenz, neue Prozesse, massgeschneiderter Kundenservice, datengestützte Tarifierung und die notwendige Reduzierung der Kosten, um ergebnistechnisch wieder ruhigeres Fahrwasser zu erreichen. Alles Themen, die nur mit einer zukunftssicheren, sich stetig weiterentwickelnden und kosteneffizienten IT-Landschaft angegangen werden sollten.
Es bleibt spannend.
Sie möchten erfahren, warum und wie unsere Software Ihr Versicherungsunternehmen effizienter macht? Dann wenden Sie sich gerne an unseren Experten Karsten Schmitt bei adesso insurance solutions.