Amazon rückt näher – Versicherer sollten jetzt handeln


Wanderer, die die falsche Ausrüstung eingepackt haben, trösten sich beim Anblick einer Schlechtwetterfront damit, dass das Unwetter ja noch weit entfernt sei. Ganz sicher wird ein Unterstand rechtzeitig erreicht werden. Aber was ist, wenn Versicherungsgesellschaften die Rolle des Wanderers innehaben und Amazon für das schlechte Wetter sorgt?

Amazon hat Ambitionen, den Kunden Finanz- und Versicherungsprodukte anzubieten. Das ist bekannt. Und über erste Kooperationen können die Kunden etwa beim Kauf von Elektronik und Haushaltsgeräten bereits einen zusätzlichen Versicherungsschutz erwerben. Das sieht nach friedlicher Koexistenz aus. Die Frage ist nur, wie lange das noch so bleibt.

Warnzeichen 1: Indien

Als agil arbeitendes Unternehmen rollt Amazon Produktneuheiten nie global aus, sondern sucht sich kleinere Zielmärkte, um Erfahrungen zu sammeln. Was funktioniert, wird übernommen und im Laufe der Zeit dann in weiteren Regionen angeboten. Umtriebig in Sachen Finanzen und Versicherungen ist der E-Commerce-Riese in Indien. Nun mag sich der eine oder andere Versicherungsmanager mit dem Gedanken trösten, dass der indische Subkontinent doch weit von Europa entfernt ist. Das scheint aber zu kurz gedacht. Gestartet ist Amazon in Indien mit einer digitalen Geldbörse und hat in den vergangenen vier Jahren das Produktportfolio schrittweise erweitert. Es folgten eine Kreditkarte und Anlageangebote. Und jetzt rüstet sich Amazon für den Einstieg in das Versicherungsgeschäft. 80 Prozent Ersparnis gegenüber anderen Policen verspricht das Unternehmen. Es lag auf der Hand, dass Amazon nicht gleich mit einem komplexen Produkt wie Kranken- oder Lebensversicherung an den Start gehen würde. Und so bietet das Unternehmen in Indien jetzt den Abschluss einer Kfz- und Fahrradversicherung direkt per App an. Und mit Sicherheit wird der Konzern hier Daten für seine Analysen sammeln, um das Angebot zu verbessern und auf andere Regionen anzupassen.

Warnzeichen 2: Generation Z offen für Technikanbieter

Indien ist weit weg, die USA sind es ebenfalls. Dort fand kürzlich eine Kundenbefragung statt, deren Ergebnis bei Managern aus der Finanzwirtschaft zumindest für Unbehagen sorgen dürfte. Denn neun von zehn Kunden aus der Generation Z würden bei einem Fintech oder einer großen (Tech-)Firma ein Konto eröffnen. Als erste Wahl erscheint hier Amazon (28 Prozent), dahinter folgen PayPal (22 Prozent) und die Supermarktkette(!) Walmart (22 Prozent). Gerade die jungen Menschen gaben an, dass sie besonders von der aus ihrer Sicht besseren Technik angezogen werden. Dass Loyalität in der heutigen Zeit keinen hohen Stellenwert mehr bei den Kunden genießt, war aus anderen Untersuchungen bekannt. Neu ist dagegen, wie stark jetzt branchenfremde Marken als Anbieter infrage kommen.

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Sicherlich, Indien und die USA sind nicht Deutschland und der deutsche Markt folgt seinen eigenen Gesetzen. Doch in beiden Regionen zeigt sich bei der Kundenerfahrung und den Kundenwünschen das gleiche Bild: Die Dominanz des Smartphones als Kommandozentrale im Alltag der Anwender und ein ständig wachsender Anteil des E-Commerce. Wie eben auch in Deutschland. Und genau deswegen müssen diese beiden Ereignisse, die so weit entfernt scheinen, von der Versicherungswirtschaft in Deutschland ernst genommen werden.

Es geht weniger um die zu Beginn eher geringen Marktanteile von Branchenfremden im Versicherungsgeschäft. Vielmehr droht hier ein Paradigmenwechsel in der Kundenwahrnehmung und letztlich der Verlust des Zugangs zum Kunden. Das Wertvollste, das jeder Markt zu bieten hat. Deswegen dürfen Versicherer nicht nachlassen, ihre Strategien konsequent auf die geänderten Erwartungen der Konsumenten auszurichten.

Mobile Geräte spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Vereinfachung von Abschlussmöglichkeiten und Touchpoints sowie die Weiterentwicklung von Produkten gehören ebenfalls dazu. Geprüft werden sollten ebenfalls Pay-per-Use-Optionen oder die Kooperation mit ergänzenden Angeboten von Insur- und Fintechs, um einige Beispiele zu nennen. Ohne mehr Fahrt bei der Digitalisierung aufzunehmen, dürfte sonst das Unwetter schneller vor der Tür stehen, als es den Gesellschaften lieb ist.

 

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